Sozialraumorientierung: Mehr Effizienz, weniger Kosten
Schrittwieser und Schröck erfreut über Grazer Jugendwohlfahrts-Projekt
Graz, 30.04.2013
Sozialraumorientierung im Jugendwohlfahrtsbereich bedeutet eine noch zielgenauere und effektivere Arbeit mit den KlientInnen. Soweit die Theorie. Dass dies in der Praxis durchaus erreicht werden kann, zeigt das nun vorliegende Ergebnis einer Evaluierung der ersten drei Jahre des Pilotprojekts in Graz. Der Diplompsychologe und Diplompädagoge Vincent Richardt („Qualitätsinstitut Viasozial"/München) hat diese Evaluierung im Auftrag des Amtes für Jugend und Familie der Stadt Graz und des Landes Steiermark durchgeführt.
Ergebnis: „Mit einem Wert von 71 Prozent liegt die durchschnittliche Zielerreichung in einem guten Bereich. Einen sehr erstaunlichen Wert gab es beim Vergleich der Zahlen betreffend die Unabhängigkeit der KlientInnen am Ende der Hilfe. Diese lag vor Einführung der Sozialraumorientierung in Graz bei 39 Prozent, jetzt liegt sie bei 84 Prozent", so Richardt. Konkret: 84 Prozent der KlientInnen benötigten keine weitere Unterstützung durch die Jugendwohlfahrt mehr.
Lob gab es auch für die fallübergreifende bzw. fallunspezifische Arbeit im Rahmen der Sozialraumorientierung (z. B. Lerngruppen, Siedlungsprojekte, Elterngruppen, etc.). Diese Arbeit hat hohen präventiven Wert, durch sie wurden rund 2.000 Personen erreicht, womit hunderte ineffiziente Hilfen vermieden wurden.
Auch der finanzielle Aspekt der Sozialraumorientierung ist bemerkenswert. Durch die pass- und zielgenaueren Hilfen kam es in der Landeshauptstadt in den letzten drei Jahren zu einer Ausgabenminderung von 4,1 Millionen Euro, was einem Minus von 18,7 Prozent entspricht. Im Jahr 2009 wurden für die Jugendwohlfahrt in Graz noch 21,9 Millionen Euro aufgewendet, im Vorjahr waren es nur noch 17,8 Millionen Euro.
„Höhere Effizienz bei geringeren Kosten - was will man mehr?" zeigt sich Soziallandesrat Siegfried Schrittwieser von den vorliegenden Ergebnissen der Evaluierung beeindruckt. „Selbstverständlich werden die Ergebnisse in das neue Jugendwohlfahrts-Konzept des Landes, das gerade ausgearbeitet wird, wie vorgesehen einfließen. Die Zielsetzung unserer künftigen Arbeit auf Landesebene liegt in einem maßgeschneiderten Angebot an Hilfeleistungen für Kinder und Jugendliche, einer Steigerung der Präventionsmaßnahmen und in einem größeren Augenmerk bei der Elternarbeit."
Für die Grazer Bürgermeisterstellvertreterin und Jugendstadträtin Martina Schröck ist das Ergebnis der Evaluierung ein Zeichen dafür, „dass das Amt für Jugend und Familie hier einen wichtigen und richtigen Schritt gesetzt hat. Unterstützung passiert nun zielgenauer und wirkungsvoller. Wir werden alles daran setzen, dass diese Zahlen in den nächsten Jahren noch besser werden - und damit die Hilfe für all jene Familien, die Hilfe brauchen, noch mehr zu deren Zufriedenheit ausfällt."
Das ist die Sozialraumorientierung:
Menschen sollen die benötigte Hilfe möglichst auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten („passgenau") bekommen. Die eigenen Potenziale, Stärken und Ressourcen der Menschen und des sozialen räumlichen Umfeldes, die Selbsthilfekräfte der Menschen („Hilfe zur Selbsthilfe") und die verstärkte Kooperation mit anderen Institutionen und Vereinen im Sozialraum (und somit dem nahen Lebensraum der BürgerInnen) stehen dabei im Mittelpunkt.
Die vier Punkte:
Individuell zugeschnittene Hilfen für Menschen
Die individuelle Hilfe richtet sich nach dem Bedarf der Menschen und nicht umgekehrt die Menschen nach den Angeboten der Hilfen. Dadurch werden individuelle, flexible, schnelle und kreative Lösungen möglich.
Bessere Berücksichtigung des Lebens- und Wohnumfeldes der Menschen
Ressourcen, Stärken und Möglichkeiten (personell und räumlich) des Umfeldes, in dem die Menschen leben, werden stärker in die Arbeit miteinbezogen.
Engere Kooperation zwischen Jugendamt und freien Trägern der Jugendwohlfahrt
In „Sozialraumteams" arbeiten die Fachkräfte des Jugendamtes und der freien Träger der Jugendwohlfahrt zusammen. Die Fachkräfte des Jugendamtes erarbeiten mit den KlientInnen die jeweiligen Ziele und bringen diese in das Sozialraumteam ein. Dort gestaltet das Team die jeweilige Maßnahme bzw. berät gemeinsam mögliche Lösungsvorschläge. Steuerungsverantwortlich für die Jugendwohlfahrtsarbeit im Sozialraum sind die jeweilige Sozialraumleitung (= Jugendamtsleitung für den jeweiligen Sozialraum) und die/der KoordinatorIn des Schwerpunktträgers (= Hauptansprechpartner für die Fachkräfte des Jugendamtes). Sie sind verantwortlich für die inhaltliche Arbeit, aber auch für die Budgetsteuerung und das Controlling im Sozialraum.
Planungssicherheit für freie Träger durch eine alternative Finanzierungsform (Pauschalfinanzierung)
Der Fokus der Finanzierung liegt auf Zielerreichung bzw. Fallbeendigung und nicht mehr auf Länge und Anzahl der erbrachten Hilfen.